Mit den Ressourcen der Familie zu arbeiten und die Krise als Chance zu nutzen, ist heute – auch dank Familie im Mittelpunkt (FiM) – hoher fachlicher Standard in der Sozialen Arbeit.
Prof. Dr. Gerd Gehrmann und Prof. Dr. Klaus D. Müller brachten FiM maßgeblich nach Deutschland und betreuen diese Methode seitdem wissenschaftlich betreuen und entwickeln diese weiter.
Anläßlich des 20jährigen Bestehens von FiM haben sie den Sammelband Familie in der Krise: Sozialarbeit als Kinderschutz herausgebracht. Durch zahlreiche Beiträge von Praktiker und Praktikerinnen wird der Bezug zur aktuellen Praxis in Jugendämtern, bei Trägern der Jugendhilfe sowie in Hilfestellen für Familien in Krisensituationen hergestellt und aufgezeigt, welche Anpassungen an aktuelle Rahmenbedingungen notwendig sind, um mit diesem Kriseninterventionsprogramm erfolgreich arbeiten zu können.
Hier eine Übersicht über den Inhalt der vierzehn Kapitel:
Kapitel 1. Das Programm „Familie im Mittelpunkt“ (FiM)
In diesem Kapitel wird das Programm „Familie im Mittelpunkt“ (FiM) vorgestellt. Es ist ein Programm, keine Methode, weil es mehr beinhaltet als Anweisungen für methodisches Handeln. Zu FiM gehören definierte Werte, Konzepte, Organisationsstrukturen und -kulturen, Methoden und Techniken. Wenn man positive Ergebnisse erreichen will, also, dass in ihrem Wohlergehen erheblich gefährdete Kinder in ihren Familien sicher bleiben können, muss der Modellprogrammcharakter als Ganzes erhalten bleiben. Dies muss trotz der notwendigen Anpassung an die deutschen Rahmenbedingungen gewährleistet sein. Dabei wird deutlich, dass es sich um Krisenintervention handelt, unter deren Erfordernisse sich alle Elemente und Charakteristika einzuordnen haben.
Kapitel 2. Der Weg nach Deutschland: von Michigan über Amsterdam
Der Weg des ursprünglich amerikanischen Programms „Families First“ von Michigan über die Niederlande nach Deutschland wird als schwieriger Prozess beschrieben, bei dem die Initiatoren mit erhebliche Widerständen und Ressentiments zu kämpfen hatten. Außerdem beschreiben die Autoren die zu den USA, aber auch den Niederlanden wesentlichen bundesdeutschen Unterschiede in den Rahmenbedingungen – insbesondere bei der Finanzierung, bei den Auftraggebern sowie der Existenz flächendeckender Jugendhilfeeinrichtungen für Kinder und Familien, z. B. Jugendämter und Sozialpädagogischer Familienhilfen (SPFH). Dargelegt werden auch die von den unterschiedlichen Rahmenbedingungen geforderten Anpas- sungen des Programms. Dieses Kapitel abrundend wird zudem die Frage diskutiert: Was ist das Innovative an FiM?
Kapitel 3. Theoretischer Rahmen: ein eklektisches Programm
Reflektierter Pragmatismus im Umgang mit theoretischen und methodischen „Schulen“ wird in akademischen Kreisen nicht sehr geschätzt. Handlungstheoretisch und handlungspraktisch ist er jedoch notwendig. Die hohe Komplexität der Bedingungen und der Aktion des beruflichen Handelns ist die Crux jeder Profession – nicht nur der der Sozialen Arbeit. Zwar können wissenschaftliche Erkenntnisse unterschiedlicher Disziplinen und theoretischen Schulen handlungsrelevant sein. Das berufliche Handeln der Praktiker_innen wird jedoch multidisziplinär und multimethodisch bestimmt und reflektiert. In der Praxis der Sozialen Arbeit, insbesondere bei FiM, ist daher ein eklektisches Vorgehen geboten. Klammer sind die Werte und der systemische Charakter des Programms. Sie erlauben auf der Ebene des methodischen Handelns eine Kombination von Elementen einzelner theoretischer Konzepte und Methoden.
Kapitel 4. Die Anpassung des Programms an die Rahmenbedingungen
Die in Kapitel 2 dargestellten, zu den Ursprungs- und Transitländern unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Deutschland erzwingen Anpassungen des Programms und des jeweiligen Trägers, ohne die es hier nicht überlebensfähig ist. Ein „Modeldrifting“ muss vermieden werden, weil sonst positive Ergebnisse im Kinder- und Familienschutz ausbleiben. Auch deshalb war und ist eine wissenschaftliche Begleitung absolut notwendig. Ebenso wichtig ist, dass Einrichtungen es vermeiden, einzelne Elemente des Programms („Rosinen“) herauszupicken und sonst alles beim Alten zu lassen.
- Im Abschnitt “Methodisch-inhaltlichen Aspekte der Krisenintervention” befassen sich die Autorinnen mit den methodisch-inhaltlichen Aspekten einer Krisenintervention, die es auch bei notwendigen Anpassungen des Programms zu bewahren gilt. Hier bedeutet Anpassung Weiterentwicklung.
- Der Abschnitt “Organisatorische Rahmenbedingungen für die Arbeit mit FiM” stellt klar, welche Bedingungen der Träger in der Organisation herstellen muss, um das Kriseninterventionsprogramm zu ermöglichen und nachhaltig zu betreiben.
- Die im Verlauf der Praxis von FiM erforderlichen, gleichwohl mit dem Modellprogrammcharakter kompatiblen Veränderungen werden im Abschnitt “Veränderungen im Programm” beschrieben und reflektiert.
Kapitel 5. Mit FiM kompatible Methoden und Nachfolgehilfen
FiM ist kein Programm, das darauf ausgelegt ist, mit seinem Einsatz allein alle Schwierigkeiten von Familien in schweren Krisen zu bearbeiten und den Kindern nachhaltig in ihren Familien Sicherheit zu geben. Es braucht Folgehilfen. Diese beschreibt die Autorin ebenso wie Verfahren, die bereits im Laufe der aktuellen Krisenin- tervention eingesetzt werden, z. B. Video-Home-Training (VHT). Der gemeinsame systemische Ansatz aller Methoden bedingt die Kompatibilität.
Kapitel 6. Entwicklungen in der Ausbildung der Mitarbeiter_innen
Während der 20 Jahre langen erfolgreichen Arbeit von FiM hat sich, bedingt durch die Veränderungen im Programm, auch die Ausbildung der Mitarbeiter_innen verändert. Damit befasst sich die Autorin dieses Kapitels.
Kapitel 7. Die Bedeutung des FiM-Teams und der personalen Ressourcen
Wenn ein Träger FiM über längere Zeit erfolgreich anbietet, muss er ausreichende und geeignete personale Ressourcen bereitstellen können. Schließlich sind es die Familienarbeiter_innen, die mit ihrem Einsatz und ihrer Fachlichkeit die qualitativ hochwertige, schwierige sowie belastende Krisenarbeit leisten und dies mit einer permanenten Einsatzbereitschaft 24 Stunden an 7 Tagen der Woche. Es besteht eine Fürsorgepflicht des Trägers, ihre Arbeitsfähigkeit herzustellen, u. a. durch hohe Qualität der Ausbildung, aber auch durch FiM-Teams für den Einsatz, den Erfahrungs- austausch und die Gewährleistung der Sicherheit der Klient_innen und der Fachkräfte. Hierbei hat auch der/die Teamleiter_in eine wichtige Funktion.
Kapitel 8. Die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern
Die wichtige Rolle der Jugendämter für den Kinderschutz zieht sich durch das ganze Buch. FiM ist wegen seiner besonderen Rolle beim Kinderschutz auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Jugendämtern angewiesen. Deshalb füllt die Beschäftigung mit der Frage, wie die Jugendämter FiM zu Beginn wahrgenommen haben und wie sie dies in der Gegenwart tun, ein eigenes Kapitel.
Kapitel 9. FiM als Clearing
Sowohl die Einrichtungen der Freien Träger als auch die Jugendämter brauchen für ihre Planung der Hilfe für eine Familie, die Entscheidung der Frage, welche Hilfe für die anstehende Problemlage die richtige ist, eine fachlich versierte Einschätzung der Krisensituation der Familie und ihrer Stärken und Ressourcen. Ein fachlich gutes Clearing kann hierbei entscheidend sein. Die Mitarbeiter_ innen der Jugendämter können dies – auch aufgrund ihrer Belastungen – nicht leisten. Mit dem Assessment haben die Mitarbeiter_ innen von FiM vor Ort die Möglichkeit zur Klärung. Ein Clearing ist bei unklarer Krisenlage erforderlich. Die Autorin dieses Kapitels analysiert das Verhältnis von FiM als Krisenintervention und Clearing.
Kapitel 10. Wie arbeitet FiM im 20. Jahr seines Bestehens?
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Krisenintervention zwischen Theorie und aktueller Praxis:
- Ein FiM-Mitarbeiter stellt vor, wie die konkrete Praxissituation sein Handeln beeinflusst und wie flexibel er auf das Widerstandsverhalten von Klienten (am Beispiel eines Vaters) – auch über Umwege – reagieren muss, um eine Zusammenarbeit mit dem Klienten zu erreichen.
- Familienarbeiter_innen beschreiben darüberhinaus die Arbeitsweise von FiM anhand von vier typischen Fallbeispielen des Hanauer und des Wetzlarer Teams.
Kapitel 11. Die Sicherheit der Kinder
Die Herstellung der Sicherheit von Kindern in krisenbehafteten Familien ist neben der Verbesserung der Familiensituation das wichtigste Ziel der Krisenintervention. Am Beispiel des “Falls Kevin” wird erläutert, was schief laufen kann (Überlastung und fachliche Versäumnisse des Jugendamts, Fehler des Helfersystems) und wie hier gegengesteuert werden kann.
Kapitel 12. Die wissenschaftliche Begleitung des Programms FiM
Seit seiner Einführung gibt es eine wissenschaftliche Begleitung in Form einer an den Ergebnissen und an den Prozessen orientierten Evaluation. Die Ergebnisse der Befragungen sind sowohl für die auftraggebenden Jugendämter als auch die Mitarbeiter_innen von FiM von Interesse. Die Mitarbeiter_innen von FiM erhalten durch regelmäßige Rückmeldungen in den Teambesprechungen und über die Jahresberichte auch die Möglichkeit, ihre Arbeitsprozesse zu reflektieren.
Kapitel 13. FiM im 20. Jahr: Ergebnisse aus dem aktuellen Bericht der wissenschaftlichen Begleitung
In diesem Kapitel werden neben den aktuellen Ergebnissen des letzten Jahresberichts von 2017 auch die aufsummierten Daten von 1998 bis einschließlich 2017 in Bezug auf die Leistungen von FiM sowie die Jugendämter dargestellt, die FiM mit Kriseninterventionen beauftragt haben.
Kapitel 14. Die Perspektive der sozialarbeiterischen Krisenintervention als Kinderschutz
Abschließend werden Rahmenbedingungen beschrieben, die für eine breitere Einführung von FiM zu schaffen sind. Auch werden die Vorteile von FiM nochmals zusammenfassend dargestellt.
Gerd Gehrmann, Klaus D. Müller (Hg.)
Familien in der Krise: Sozialarbeit als Kinderschutz