Neu in der Blauen Reihe erscheint im Januar der Titel Qualitätsmanagement in Sozialunternehmen von Prof. Dr. Jochen Ribbeck, Katholische Stiftungshochschule München.
Ich höre jetzt schon alle aufstöhnen: “Ach nö – QM ist doof”. Warum sich also mit dem vielfach ungeliebten Kind „Qualitätsmanagement“ auseinandersetzen .. und das auch noch in der Sozialen Arbeit? Hier drei Argumente, die Sie überzeugen sollen, sich mit dem Thema positiv auseinanderzusetzen:
Kein Auftrag, keine Finanzierung ohne Nachweis von Qualität
Im Kontext von Kostenverhandlungen wird Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung von Sozialunternehmen eingefordert. Qualitäts- und Leistungsbeschreibungen sind dabei ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen. Die Bemessung und Zuweisung öffentlicher Finanzierung wird dabei grundlegend mit dem Nachweis von Qualität verknüpft.
Das Unternehmen ist also dazu verpflichtet, Qualitätssicherung zu betreiben und dieses auch nachzuweisen, wenn es Aufträge bzw. Geldmittel von öffentlichen Kostenträgern erhalten möchte.
Dazu ein Blick in die einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuches:
Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II): Leistungsanbieter im Bereich des SGB II sind im Kontext von Leistungsvergütungsvereinbarungen verpflichtet, Angaben über die Qualität der angebotenen Leistungen zu treffen. Der Kostenträger hat das Recht, die Leistungsversprechen zu überprüfen. Im Übrigen gelten die gleichen Voraussetzungen wie für Leistungsanbieter im Bereich der Arbeitsförderung.
Arbeitsförderung (SGB III): Träger und Einrichtungen im Bereich der Arbeitsförderung müssen ein System zur Qualitätssicherung vorhalten, um von einer sog. fachkundigen Stelle zugelassen zu werden. Die Zulassung vollzieht sich durch eine Die Voraussetzungen für geeignetes Qualitätssicherungssystem sind explizit in der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung (AZAV) geregelt.
Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V): Zentrale Festlegungen zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen sind im § 135a SGB V formuliert. Danach sind Leistungserbringer allgemein verpflichtet, die Leistungsqualität unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und fachlicher Standards zu sichern und weiter zu entwickeln. Insbesondere müssen Leistungserbringer ein internes Qualitätsmanagementsystem vorhalten und sich an Maßnahmen der externen Qualitätssicherung beteiligen. Festlegungen konkretisierender Regelungen, etwa welches Qualitätsmanagementsystem zu verwenden ist, erfolgen durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (z. B. Qualitätsmanagement-Richtlinie für Krankenhäuser).
Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII): Die gesetzlichen Regelungen im SGB VIII hinsichtlich Qualität werden im Kontext von Entgeltvereinbarungen formuliert. Der Abschluss von Qualitätsentwicklungsvereinbarungen ist fester Bestandteil im Zusammenhang mit der Verhandlung von Leistungs-/Vergütungsvereinbarungen bzw. von Rahmenveträgen mit den öffentlichen Kostenträgern.
Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX): Leistungserbringer im Bereich Rehabilitation und Teilhabe müssen ein Qualitätsmanagementsystem einrichten, „das durch zielgerichtete und systematische Verfahren und Maßnahmen die Qualität der Versorgung gewährleistet und kontinuierlich verbessert.“ Zudem besteht die Verpflichtung, an einem Zertifizierungsverfahren teilzunehmen.
Pflegeversicherung (SGB XI): Laut § 72 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI sind Einrichtungen der ambulanten wie stationären Pflege im Zusammenhang mit der Zulassung durch einen Versorgungsvertrag verpflichtet, einrichtungsintern Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Im Kontext von Pflegesatzvereinbarungen werden wesentliche Leistungs- und Qualitätsmerkmale festgelegt.
Sozialhilfe (SGB XII): Im SGB XII werden im Kontext von Entgeltverhandlungen Qualitätsentwicklungsvereinbarungen gefordert. Freie Träger und Einrichtungen der Sozialhilfe müssen im Zuge von Entgeltvereinbarungen die Qualität der angebotenen Leistungen beschreiben. Darüber hinaus enthalten die Landesrahmenverträgen zwischen den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege und den überörtlichen Sozialhilfeträgern weitere grundlegende Regelungen hinsichtlich Qualität der Leistungen, Maßnahmen der Qualitätssicherung und Verfahren der Qualitätsüberprüfung.
Eingliederungshilfe ab 1.1.2020 (BTHG): Mehr noch als bisher wird die Qualität der Leistungserbringung und (neu!) deren Wirksamkeit bei der durch das Bundesteilhabegesetz eingeführten „neuen“ Eingliederungshilfe eine Rolle spielen:
- den Trägern der Eingliederungshilfe wird künftig ein anlassbezogenes, gesetzliches Prüfrecht hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Qualität der vereinbarten Leistungen eingeräumt;
- das neue gesetzliche Prüfrecht ist zudem mit Sanktionsmöglichkeiten in Form von Vergütungskürzung einer außerordentlichen Kündigung verbunden
Auch künftig können Landesrahmenverträge abgeschlossen werden, in denen die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit (!) der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen geregelt werden.
Fachliche Innovation, Verbesserung und Weiterentwicklung von Dienstleistungen
Qualitätsmanagement nur primär als notwendige Pflichterfüllung zu verstehen, greift aber zu kurz. Aus dem „ungeliebten“ Kind, kann auch ein Werkzeug werden, fachliche erreichte Standards dauerhaft im Unternehmen zu verankern und durch die stetige Auseinandersetzung mit den Prozessen professionelles Arbeiten weiter zu entwickeln und damit auch Innovationen in das Unternehmen hineinzutragen.
Qualitätsmanagement soll dabei einen unternehmensweiten Steuerungsanspruch einnehmen, der die Weiterentwicklung der Leistungsprozesse im fachlichen und professionellen Sinne als Kernanliegen mit einschließt.
Organisationsentwicklung: Veränderungs- und Entwicklungsdynamik in der Organisation
Aufgrund der stark von außen herangetragenen Anforderungen gerät schließlich schnell außer Acht, dass die Einführung von Qualitätsmanagement auch organisationale Entwicklungschancen bietet. Damit sind insbesondere strategische Optionen gemeint. Sozialunternehmen müssen in besonderer Weise mit vielfältigen und auch heterogenen Interessensgruppen zusammenarbeiten. Qualitätsmanagement ist ein Ansatz, der einer systematischen Orientierung an Anspruchsgruppen – insbesondere auch den Wünschen und Erwartungen von Leistungsempfängern/Klienten – in besonderer Weise Rechnung trägt.
Sozialunternehmen sehen sich zudem zunehmend mit der Notwendigkeit organisationaler Veränderungen konfrontiert. Das Befassen mit und die Einführung von Qualitätsmanagement selbst setzen eine tiefgreifende Entwicklungsdynamik in Gang. Damit besteht die Chance, die Veränderungs- und Entwicklungsfähigkeit einer Organisation als Ganzes zu stärken.
Fazit: Qualitätsmanagement als unternehmensweit zu integrierender Management- bzw. Steuerungsansatz nutzen
Der Autor stellt das Thema Qualitätsmanagement also als unternehmensweiten und unternehmensweit zu integrierender Management- beziehungsweise Steuerungsansatz vor und möchte – neben der Vermittlung notwendigen Grundlagenwissens – auch Überzeugungsarbeit leisten und ein differenziertes Verständnis für die methodischen und konzeptionellen Grundlagen von Qualitätsmanagement erreichen.
Nicht zuletzt deshalb, damit mit ein solches Szenario für die Zukunft ausgeschlossen wird: Qualitätsmanagementsysteme werden vielfach organisatorisch eingeführt, die Zertifizierung mit großem Aufwand erreicht, der Arbeitsalltag jedoch stellt eine Art Parallelwelt dar. Lassen Sie es nicht dazu kommen, nutzen Sie die Chancen, die die Implementierung von Qualitätsmanagement bietet.