Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Armin Schneider
„Wir haben dafür leider keine Zeit“, „wir sind zu beschäftigt“, „leider sind wir überlastet“, „wir schaffen das nicht“ – in wenigen Fällen mag das alles stimmen, aber oft stecken hinter diesen Aussagen entweder tatsächlich so wahrgenommene Ängste und Zwänge oder aber Ausreden, die von eigentlichen Problemen in der Organisation oder von einer „Aufschieberitis“ zeugen.
In jeder Organisation – auch in der Sozialwirtschaft – gibt es Zeiten, in denen alles „heiß läuft“, „vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr gesehen wird“. Ist dies jedoch über einen längeren Zeitraum festzustellen, so schadet dies den Mitarbeitenden in der Organisation und der Organisation selbst, es verursacht individuellen und kollektiven Stress. Es gilt hier sorgsam nach den Ursachen zu forschen und auf Dauer durch Regelungen und Aufgabeneinteilungen dafür zu sorgen, dass Mitarbeitende zufrieden Ergebnisse in ihrer Arbeitszeit erzielen.
Was können mögliche Ursachen sein?
An allererster Stelle ist zu nennen, dass Aufgaben nicht klar abgesprochen und Erwartungen an die Aufgabenerfüllung nicht deutlich sind. Seitens der vorgesetzten Person sollte mit der mitarbeitenden Person genau analysiert werden, wann es zu Überforderungen und Überlastungen kommt. Das kann einfach an der Arbeitsorganisation liegen, z. B. dass die Buchhalterin gleichzeitig auch für den Telefondienst verantwortlich ist und sich auf die erste Aufgabe gar nicht in dem erforderlichen Maße konzentrieren kann. Ein anderer Grund kann darin bestehen, dass tatsächlich die notwendige Kompetenz nicht vorhanden ist und unnötige Arbeitsschritte stattfinden. In beiden Fällen muss die Führungskraft eingreifen.
Ein weiterer Grund liegt in der falschen Priorisierung von Aufgaben: Es liegt kein Überblick über alle Aufgaben vor und daher wird nicht zwischen wichtigen und unwichtigen Aufgaben unterschieden. Jede neue Aufgabe wird, unbeachtet einer Bewertung der Wichtigkeit und Dringlichkeit, direkt angegangen. Dadurch entsteht ein Hang zu Verzettelung und es fehlen „Pufferzeiten“, um andere wirklich dringende Aufgaben direkt zu erledigen. Die alte Zeitmanagement-Regel, an jedem Tag nur 70 Prozent der Arbeitszeit zu verplanen, kann hier helfen und natürlich die „Eisenhower-Regel“, eine Einteilung aller Aufgaben in vier Felder vorzunehmen: wichtig und dringend, wichtig und nicht dringend, unwichtig und dringend und unwichtig und nicht dringend. Dabei muss dann auch der Mut vorhanden sein, Aufgaben ganz zu verwerfen oder Aufgaben zu delegieren.
Mit solch einfachen Regeln lässt sich einiges verändern. Bei Führungskräften kommt oft hinzu, dass diese zwar Verzerrungen und Verdichtungen wahrnehmen, sich aber selbst nicht die Zeit nehmen, diesen nachzugehen und beispielsweise durch Regelungen und Standardisierung von Aufgaben dafür zu sorgen, dass nicht stets an den gleichen Stellen „Heißläufer“ entstehen. Werden z. B. bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen zu viele Arbeitsschritte von unterschiedlichen Personen vorgenommen, gilt es diese Prozesse in einen geordneten Ablauf mit klaren Verantwortlichkeiten zu überführen und damit zu verschlanken.
Auch im Homeoffice müssen manche Aufgaben warten können
Eng verwandt mit der Aufschieberitis (Prokrastination) ist die mangelnde Konzentration auf genau eine Aufgabe. Sicherlich haben die vielen Videokonferenzen in der Pandemie-Situation uns alle dazu verführt, ganz nebenbei bei der Konferenz noch Mails zu beantworten oder irgendwelche anderen Aufgaben zu erfüllen, dies aber in der vermeintlichen Selbstüberschätzung, man sei halt multitaskingfähig, aber auch mit dem Nachteil, keine der Aufgaben wirklich konzentriert zu bewältigen. Nach dem vorgenannten Eisenhower-Prinzip müssen einige Aufgaben, die wichtig und nicht dringend sind, auch warten können. Aber auch dafür braucht es Zeit. Aufgaben und Ziele, die nicht im Terminkalender erscheinen oder mit anderen als Zeit-Ressourcen ausgestattet sind, sind auch keine Aufgaben und keine Ziele. Daher müssen diese auch in die verplante Zeit eingearbeitet werden. Denn auch dies hat schlechte Auswirkungen nach außen, wenn Termine wiederholt nicht eingehalten werden und andere durch die (immer) noch nicht erledigte Arbeit in ihrer Arbeit eingeschränkt werden.
Zuweilen haben Mitarbeitende auch ganz andere Agenden, nach dem Motto: „Wenn sie das von mir auch noch wollen, kann ich meinen Aufgaben nicht mehr nachkommen.“ Das kann daher rühren, dass Weisungsbefugnisse nicht klar definiert sind, oder Aufgaben nicht regelmäßig in dem Sinne überprüft werden, ob diese noch erledigt werden müssen oder sich zwischenzeitlich überholt haben. Auch hier gilt es, genau zu definieren, wer welche Aufgaben an Mitarbeitende vergibt.
Organisation ist Aufgabe der Führungskraft
Schließlich und nicht weniger wichtig, aber doch eher die Ausnahme, gibt es Personen, die nicht für die jeweiligen Aufgabe „geschaffen“ sind oder eher Minderleistungen erbringen. Hier gilt es, nach entsprechenden (erfolglosen) Entwicklungsbemühungen und dokumentierter Nichtleistung frei nach dem Motto „love it, change it or leave it“ dafür zu sorgen, dass Entscheidungen getroffen werden über die weitere Zukunft in der entsprechenden Stelle oder gar im entsprechenden Unternehmen.
Zusammengefasst: Es gibt zwar immer etwas Wichtigeres, aber es ist die Aufgabe einer jeden Führungskraft hier genau hinzusehen und dafür zu sorgen, dass
- Aufgaben innerhalb einer vorgegebenen Zeit auch erledigt werden,
- die Arbeit so organisiert wird, dass es nicht zu dauerhaften Überforderungen kommt (im Übrigen gilt dies auch für dauerhafte Unterforderungen, dies führt ebenfalls zu Unzufriedenheit und Minderleistung) und
- Mitarbeitende darin unterstützt und entwickelt werden, strukturiert und verantwortlich mit ihrer Arbeitszeit umzugehen (dazu gehört auch das Feedback, wenn ein gewisses Maß an Mehr- oder Minderstunden erreicht ist).
Prof. Dr. Armin Schneider, Hochschule Koblenz, Fachbereich Sozialwissenschaften
Direktor des Institutes für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB), Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften.