Strategische Herausforderungen der sozialen Dienstleister sind auch Herausforderungen für die Lieferanten
Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Paul Brandl
Der Einkauf oder besser die Beschaffung in der Sozialwirtschaft findet noch (zu)wenig Niederschlag in der Literatur. Nach den Personalkosten sind die Beschaffungskosten der zweitgrößte Kostenblock von sozialen Dienstleistern mit etwa 10 – 15 % des Gesamtbudgets.
Unter Beschaffung werden hier alle Vorgänge von der Ausschreibung eines Produktes oder einer Dienstleistung über die Auswahl, Belieferung, Reklamation, Bezahlung, Betrieb und Entsorgung bis zur Wiederbeschaffung verstanden.
Diese Ausgaben inklusive der internen Kosten gilt es zu durchleuchten und nach der Zufriedenheit mit dem Produkt oder Dienstleistung zu fragen. Gestartet für eine derartige Analyse wird bei den allgemeinen, strategischen Herausforderungen der Sozialwirtschaft, die für den jeweiligen sozialen Dienstleister samt seinen Produkten und Dienstleistungen ergänzt werden müssen.
Anschließend geht es zu den Reifegraden eines Produkts oder einer Dienstleistung, die Aussagen über eine mögliche Steigerung zulassen. In Anlehnung an das pQMS extended® (Brandl/Ehrenmüller, 2019) beginnen wir hier mit einem dynamischen Qualitätsverständnis und den strategischen Herausforderungen der Sozialwirtschaft für die nähere Zukunft:
- Eine Orientierung am sich ständig verändernden Nutzen der KlientInnen erfordert ein beständiges Nachjustieren auch der Lieferanten. Man kann sich hier an fiktiven, typischen Personen der KlientInnen – im Service Design Personas genannt – und den sozialen Dienstleistern orientieren. Von diesen typischen Personen kann man den Nutzen der Produkte des Lieferanten ableiten und somit auch die Handlungserfordernisse.
- Die Prozesse, Produkte und Dienstleistungen sollen aus der Sicht der KlientInnen des sozialen Dienstleisters ressourcenschonend erstellt werden – unter Beachtung insbesondere von Hygiene und Versorgungssicherheit: ökonomisch und ökologisch optimiert.
- Das statische Qualitätsverständnis wird dynamisch und mit der Prozessorganisation kann auch der jeweils neueste Stand in die IT integriert werden.
- Die bestehenden legistischen Bestimmungen werden hier angewandt und bilden den Rahmen für die Handlungsmöglichkeiten für die Ausschreibung, Auswahl, Belieferung, Reklamation und Bezahlung sowie eine etwaig notwendige Entsorgung.
- Der Qualitätsbegriff spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur, insbesondere im Wert
der Zusammenarbeit unterstützt durch Digitalisierung wieder. Auch eine agile
Organisation findet hier Platz.
Anschließend braucht es einen dynamischer Qualitätsbegriff, um diese Entwicklungen einfangen zu können. Darin enthalten ist mit den Reifegraden von Produkten und Dienstleistungen ein zweidimensionales Instrument, das deren Entwicklungsstand aufzuzeigen in der Lage ist.
Als Beispiel ist nachfolgend der Reifegrad für die Versorgung mit Medikamenten angeführt:
Die Matrix hat auf der y-Achse mit Stufe 1-5 (Reifegrad des Prozesses) eine Aussage über den formalen Aspekt des Qualitätsmanagements sowie auf der x-Achse mit Stufe 1-5 (Reifegrad der Dienstleistung) eine inhaltliche Aussage zum Entwicklungsstand der Dienstleistung – tendenziell von analog bis digital. Damit geht der Weg mit steigendem Reifegrad in Richtung mehr Wirkung von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft:
Kennzahlen im Sinne der vier Dimensionen einer Balanced Scorecard können darauf aufbauend für diese Prozesse bzw. die Dienstleistung erstellt und daraus resultierende Erkenntnisse in eine Ausschreibung integriert werden. Damit bietet sich die Möglichkeit, Prozesse und Dienstleistungen strategisch ausgerichtet weiterzuentwickeln.
Viel Erfolg beim Weiterentwickeln eines Prozesses und einer Dienstleistung!
Verwendete Literatur:
Brandl Paul, Irmtraud Ehrenmüller, pQMS extended®, 2019, Neues Qualitätsmanagementsystem für die Langzeitpflege: prozessbasiert – erweiterbar – effizienzsteigernd, Walhalla, Regensburg
Brandl Paul, Prozessoptimierung als Basis zur Neugestaltung sozialer Dienstleistungsoptimierung – mehr Nutzen – weniger Ressourcen – mehr Nachhaltigkeit, Regensburg, Walhalla, 2021
Zum Autor:
FH-Prof. Dr. Paul Brandl lehrte an der Fachhochschule Oberösterreich Campus Linz, Department Gesundheits-, Sozial- und Public Management in den Bereichen Organisation und Qualitätsmanagement.
An diversen Hochschulen nimmt er Lehraufträge wahr und berät
im Bereich der Sozialwirtschaft.