Ein junger Mann steht vor einer Betonwand mit Fragezeichen

Digitale Kompetenz: Wo steht der Nachwuchs in der Sozialen Arbeit?

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Klaus Schellberg

Die Digitalisierung prägt nicht nur die Wirtschaft, sondern die ganze Gesellschaft. Wir sind es gewohnt, in Online-Shops zu kaufen, maßgefertigte Ballkleider aus China zu bestellen und nachverfolgen zu können, wo unser Paket auf dem Postweg gerade steckt, uns über Krankheitssymptome online informieren zu können und Arzttermine im Internet zu buchen.

Doch wo steht hier die Sozialwirtschaft?

Wir kennen IT-Lösungen für Verwaltung, Abrechnung und Dokumentation, aber Online-Beratung, Dienstleistungshubs oder Künstliche Intelligenz zur Unterstützung von Fachkräften sind vom Stand der Industrie und des Handels noch weit entfernt. Dies liegt natürlich teils an den Bedingungen der Sozialwirtschaft – keine internationale Konkurrenz, öffentliche Auftraggeber mit ebenfalls nur geringer Technikaffinität, traditionell keine technischen MitarbeiterInnen – aber es liegt wohl auch an der Sozialwirtschaft selber.

Zentraler Faktor: Digitale Kompetenz

Ein zentraler Faktor für den souveränen Umgang mit Digitalisierung ist die digitale Kompetenz des Personals. Digitalisierung ist dabei keine Aufgabe der IT-Abteilung, sondern durchzieht die gesamte Organisation. Digitalisierung betrifft gerade die Prozesse des Fachpersonals, der SozialarbeiterInnen, Pflegekräfte, PädagogInnen.

Nun haben die meisten Menschen soziale Berufe gewählt, weil sie mit Menschen, nicht mit Computern arbeiten wollen. Aber was, wenn die Menschen, mit denen sie arbeiten wollen, selber am besten über Computer erreichbar sind? Digitale Kompetenz und Technikaffinität werden dann auch für den fachlichen, sozialarbeiterischen, pflegerischen, pädagogischen Erfolg ein zentraler Faktor.

Es stellt sich also die Frage, wo in der Sozialwirtschaft die digitale Kompetenz herkommen kann. Natürlich kann sie von außen kommen, wird dann aber wahrscheinlich als professionelle Bedrohung empfunden werden.

Erwartet würde wohl digitale Kompetenz insbesondere bei jüngeren Menschen, die mit der Digitalisierung bereits aufgewachsen sind. Systematisch qualifiziert werden die jungen Leute nicht auf ihre Ausbildung. Der Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit sieht bislang Wissen bezüglich der Entwicklung und Nutzung neuer Technologien nicht vor. Auch die Studien- und Ausbildungsgänge in diesem Bereich haben bisher nach meiner Kenntnis keine oder kaum Angebote in diesem Bereich.

Evaluationsergebnis an den Nürnberger Hochschulen

Es könnte aber sein, dass die jüngeren Menschen eigenes, außerhalb der Ausbildung erworbenes Wissen hier einbringen. Dies war Gegenstand einer Untersuchung bei Studierenden von höheren Semestern der Sozialen Arbeit an Nürnberger Hochschulen[1].

Einige der Ergebnisse in Schlaglichtern:

  • 28,5 % der Befragten gaben an, dass sie über keinerlei Vorkenntnisse in EDV verfügen und sich bisher in Schule oder Beruf damit nicht konfrontiert sahen;
  • 84 % der Befragten können im Internet gefundene Informationen in verschiedenen Dateiformaten abspeichern (Der Kompetenzrahmen 2.0 der Europäischen Kommission sieht dieses Wissen als fortgeschrittene Fähigkeit der Informations- und Datenverarbeitung vor)
  • 34,5 % der Befragten können mit Webanwendungen Inhalte ins Netz bringen (wobei nur 21 % der Befragten wissen, was ein Content-Management-System ist)
  • 8 % der Befragten bringen zumindest ein Basiswissen in einer Programmiersprache mit
  • 62 % der Befragten können anderen Menschen nicht helfen, wenn sie ein Problem mit dem Internet, Laptop oder Smartphone haben,
  • 20,5 % der Studierenden geben an, an Trends im digitalen Umfeld interessiert zu sein (50 % der männlichen Befragten, 15 % der weiblichen Befragten).

Die Ergebnisse legen nahe, dass der Großteil der Studierenden der Sozialen Arbeit sehr wohl ein Basiswissen in IT / Digitalisierung haben. Allerdings ist die Kompetenz zu weitergehenden, eher gestalterischen Aufgaben im Bereich IT, für eine junge Generation sehr gering ausgeprägt.

Fazit

Für Sozialunternehmen bedeutet dies, dass sie nicht darauf bauen können, digitale Kompetenz zur Weiterentwicklung aus den angestammten Ausbildungsgängen zu bekommen. Vielmehr muss sie die digitale Kompetenz von außen „importieren“ und damit aber auch die professionelle Zusammensetzung des Personals zu verändern. Oder sie muss in ihrer Personalentwicklung viel deutlicher den Aufbau von digitalem Know-How vorantreiben.

Im Umkehrschluss kann dies für junge Studierende bedeuten: Wer neben seinem Studium in Sozialer Arbeit digitale Kompetenz entwickelt, wird wohl nie mehr arbeitslos.


Quelle:

[1] Burbulla, Syvanne, Die digitale Kompetenz Studierender der Sozialen Arbeit, Evangelische Hochschule Nürnberg, Bachelorarbeit 2019


Zum Weiterlesen:

Was ist Agilität, was Internet of things, Verplattformung oder Big Data – und was haben diese mit Sozialer Arbeit zu tun hat? Pölzl und Wächter helfen hier mit ihrem Praxis-Kompass weiter. Sie geben einen Einblick in die digitale Welt und deren Anknüpfungspunkte an Soziale Unternehmen.

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