Eine Buchvorstellung von Prof. Dr. Paul Brandl
Die Sozialwirtschaft benötigt dringend Innovationsschübe im theoretischen Kontext als auch in der praktischen Anwendung. Kostendruck, Budgets aber auch veraltete Strukturen in manch sozialer Organisation haben – inzwischen verbunden mit zunehmenden Personalmangel – fast den letzten Tropfen aus der teilweise schon prozessoptimierten Leistungsfrucht gepresst. Noch weniger Interaktion mit betreuten Menschen ist bald nicht mehr sinnvoll machbar und stößt immer öfter an Qualitäts- und ethische Grenzen, in allen Bereichen der Sozialwirtschaft.
Doch wo ansetzen?
Wir schlagen vor: Im gesamten System Ideen einfach ausprobieren oder/und systematischer durch theoretische Erweiterungen, die Hereinnahme der Digitalisierung, Einführen neuer Führungstechniken und zeitgemäßer Personalentwicklung.
Welche Ideen gibt es? Gibt es Blaupausen von gelungenen Projekten? Ein Aufruf zum Mitmachen
Eine Exkursion mit StudentInnen des Masterstudienganges „Gesundheits-, Sozial- und Public Management“ mit dem Titel „International Best Practice“ bestärkte uns als Herausgeber, eine Publikation zum Themenbereich „Soziale Innovation“ mit Beiträgen aus dem D-A-CH-Bereich zu gestalten. Erleichtert wurde dies durch unsere Mitgliedschaft und Tätigkeit im Rahmen der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Sozialwirtschaft/Sozialmanagement (INAS). Es sollte ein Blick in die nähere Zukunft von sozialen Dienstleistern werden.
Ein Blick in eine Glaskugel, die die Zukunft der Sozialwirtschaft mehr oder minder scharf darzustellen vermag.
Wir wollen Führungskräften, Lehrende und Studierende auf die Reise in die nahe Zukunft sozialer Dienstleister mitnehmen und zum Mitmachen sowie zum Übertragen auf ihre eigenen Organisationen animieren:
- Führungskräfte sehen wir in der Figur des aktiven “Werklmanns”, der Innovationen anstoßen, fördern und umsetzen soll.
- Lehrende sollen ihre StudentInnen auf die nahe Zukunft in ihrem Berufsleben vorbereiten können, in dem sie eine theoretische Basis legen und praktische Beispiele für deren Umsetzung bieten/ausprobieren.
- Studierende sollen nicht nur im Sinne des Hörens in Lehrveranstaltungen und Kennenlernens im Rahmen von Exkursionen, sondern auch tunlichst in einer Art Simulation in Lehrveranstaltungen und Praktikas verbunden mit Abschlussarbeiten an der Entwicklung der Zukunft der Sozialwirtschaft beteiligt werden.
Prof. Brandl erklärt im Skype-Interview welche neuen Wege Sozial- und Gesundheitsunternehmen gehen können
Geht es um soziale Innovationen oder um Innovationen bei sozialen Dienstleistern?
Kollegen aus anderen Hochschulen, die gleich am Beginn unserer Arbeit eine genaue Definition unseres Begriffes „Soziale Innovation“ einforderten waren skeptisch: „Geht es um soziale Innovationen oder um Innovationen bei sozialen Dienstleistern? Was ist genau eure Definition?“ Wir gehen davon aus, dass wir nach einer jahrelangen Wachstumsphase der Sozialwirtschaft an einem Wendepunkt des Denkens und Handelns hinsichtlich der Weiterentwicklung angelangt sind. Angesichts von begrenzten Ressourcen, Personalmangel und demografischen Entwicklungen gilt es, die Sozialwirtschaft neu zu denken.
Wir wollen
- zeigen, was als soziale Innovation im weiteren Sinne gesehen werden kann.
- neue theoretische Ansätze einfangen, die die Prozesse und Dienstleistungen der Sozialwirtschaft verändern (werden) – verbunden mit neuen Anforderungen und Möglichkeiten für die ArbeitnehmerInnen.
- praktische Beispiele im D-A-CH-Bereich darstellen, die Ideen realisieren wollen – als eine Art „Blick über die Schulter“.
- methodisch neue Wege beschreiten und dies auch sichtbar machen – im Sinne von „Tue Gutes und rede davon“.
- zeigen, dass es viel zum Nachmachen und Übertragen in andere Organisationen gibt – ohne schlechtes Gewissen.
Die Auswahl der Artikel stellt nicht den Anspruch „alles“ abzudecken, sondern will eine Vielfalt an Gedanken darstellen, die uns in den letzten Jahren berührt haben: Prozessmanagement, Qualitätsmanagement, neue Effizienz, New Work, Digitalisierung, etc. Wir haben uns vorgenommen, für Aufsichtsräte, Führungskräfte, StudentInnen des Sozialmanagements und interessierte MitarbeiterInnen Anregungen zum Weitermachen und Übertragen zu präsentieren.
Der rote Faden der vorliegenden Publikation – von der Theorie zur Praxis
Theoretische Beiträge im ersten Band
Grundlagenbeiträge
Im ersten Band liegt der Schwerpunkt auf den theoretischen Beiträgen. Folgende Grundlagenbeiträge befinden sich dazu im ersten Teil des Bandes:
- Warum der Riese so schwer aufwacht, hinterfragt Klaus Schellberg bei der Beleuchtung der Innovationsbedingungen in der Sozialwirtschaft.
- Matthias von Bergen setzt fort mit seinem grundlegenden Beitrag zur föderalen Schweiz als Labor ein.
- Einen Paradigmenwechsel im Management sozialer Organisation diskutiert Irmtraud Ehrenmüller unter dem Aspekt der neuen Effizienz.
- Die strategische Ausrichtung der Innovationen bei sozialen Dienstleistern beleuchtet Paul Brandl.
- Hendrik Epe setzt sich mit der Thematik des New Work auseinander und gibt Orientierungshinweise für soziale Organisationen auf dem Weg dorthin.
- Anne Parpan-Blaser geht der Frage der Bedeutung von (sozialer) Innovation im Gefüge sozialer Versorgung hat.
- Den Abschluss des Theorieteiles dieses Bandes setzt Michael Garkisch mit einem verbindenden Blick auf die zwei Welten “Virtual Reality” und “Soziale Arbeit”.
Beiträge zur Gestaltung der Zukunft von sozialen Dienstleistern
Im zweiten Teil des ersten Bandes finden sich Beiträge zur Gestaltung der Zukunft von sozialen Dienstleistern:
- Die Fusion von sozialen Organisationen nach der „Berner Praxis“ (Daniel Iseli)
- Zielbild „Das Sozialkaufhaus als sozialökonomischer Betrieb“ (Julia Kitzberger)
- Hybride Dienstleistungsmodelle für das Leben im Alter daheim (Michael Vilain/Matthias Heuberger)
- Entwicklung eines Geschäftsmodells für die Tagesbetreuung von Senioren (Michaela Kührer)
- Das „multifunktionelle Altenheim“ (Paul Brandl/Angelika Krallinger)
Einblick in die innovative Praxis der Sozialwirtschaft, Pilotmodelle im zweiten Band
Im zweiten Band stellen wir eine Reihe von innovativen Projekten vor:
- „Smart Metering: Innovative häusliche Monitoring- und Alarmierungssysteme in Technik-Service-Verbünden“ (Michael Vilain/Matthias Heuberger),
- „Das Entwickeln von sozialen Dienstleistungen“ im INTRA Lab Darmstadt (Tobias Gebauer/Rhea Seehaus),
- „Technische Unterstützungssysteme in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen am Beispiel des Seniorenzentrum Breipohls Hof in Bielefeld (Ulrich Johnigk/Melissa Henne),
- Sektorenübergreifende Dienstleistungserstellung. Ein Pilotmodell zur Sicherstellung des „Best point of medical and social service“ im Gesundheits- und Sozialbereich (Victoria Grabner/Irmtraud Ehrenmüller),
- ehrenamtlichen Engagement und Dienstleistungen zu innovativen Formen der Leistungserbringung (Matthias Heuberger/Michail Vilain),
- Solidarische Landwirtschaft als Arbeits- und Förderstätte für Menschen mit psychischen Erkrankungen (Anja Plöchl),
- Mit Reifegraden mehr Effizienz ermöglichen (Paul Brandl),
- Das Pilotprojekt Subjektfinanzierung in der Behindertenpolitik des Kanton Berns (Martin Wild-Näf),
- Personenenzentrierte Leistungen im Sozialraum – Einführung und Evaluation eines Projekts im Bereich der Wohnhilfe in Bern (Roger Pfiffner/Manuela Grieb),
- Das Prozessmanual zur dialogisch-systemischen Kindeswohlabklärung. Innovation in und mit der Praxis des Kindesschutzes in der Schweiz (Brigitte Müller/Stefan Schnurr),
- Das Büro Leichte Sprache Basel – Ein Beispiel für Innovation in der Schweiz (Cornelia Kabus),
- Das Recovery-Konzept der Invalidenversicherungsstelle Graubünden (Thomas Pfiffner).
Die innovativen Beispiele für Unterstützungsprozesse kommen aus Österreich:
- Mit der Neuverblisterung zu mehr Effizienz in der (mobilen) Altenbetreuung und –pflege (Christian Baumgartner/Paul Brandl)
- Digitalisierte Wäscheversorgung (Marlene Harringer-Michlmayr).
FH-Prof. Dr. Paul Brandl lehrt an der Fachhochschule Oberösterreich Campus Linz, Department Gesundheits-, Sozial- und Public Management in den Bereichen Organisation und Qualitätsmanagement. Seine Forschungsinteressen gelten dem benchmark- und prozessbasierten Prozessmanagement sowie moderner Dienstleistungsentwicklung wie etwa dem Service Design.