Die Bedeutung der Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit wächst – teilweise aufgrund eigener Überlegungen, den rasanten Veränderungen der Rahmenbedingungen entgegenzuwirken, teilweise aufgrund vermehrter rechtlicher Vorgaben in den einzelnen Segmenten, in denen Leistungserbringer tätig sind. Um die Wirkung Sozialer Arbeit messen und analysieren zu können, ist die Implementierung eines modernen Leistungsmessungssystems zur Planung, Auswertung und schließlich Steuerung der Organisation unumgänglich. Wie aber ein solches System finden? Wie eine solche Aufgabe angehen?
Das eben erschienene Fachbuch Wirkungsorientierte Leistungsmessung: Der Balanced Performance Report von Gerhard Gruber unterstützt bei der Auseinandersetzung und informiert über aktuelle Möglichkeiten, aber auch Grenzen der wirkungsorientierten Leistungsmessung. Der Clou des Buches ist die Nachzeichnung der Entwicklung eines neuen wirkungsorientierten Performance Measurement Systems – des Balanced Performance Report.
Im Interview erklärt Gerhard Gruber, was es mit dem Balanced Performance Report auf sich hat:
Herr Gruber, – bevor wir auf das von Ihnen entwickelte Leistungsmessungssytem eingehen – können Sie uns kurz erklären, warum sich soziale Unternehmen verstärkt mir Wirkungsorientierung bzw. Wirkungsmessung auseinandersetzen sollten:
Veränderte Rahmenbedingungen, vor allem die Neuorientierung des öffentlichen Sektors, welche mit dem Begriff „Ökonomisierung“ treffend beschrieben werden kann, haben auf Social-Profit-Organisationen erhebliche Auswirkungen. Diese Neuorientierung zeigt sich in der Entwicklung der öffentlichen Verwaltungen vom Bürokratiemodell zum, an Konzeptionen privatwirtschaftlicher Unternehmen angelehnten, New Public Management.
Dieser Paradigmenwechsel bewirkt natürlich auch eine Veränderung der Beziehung zwischen der öffentlichen Hand als Kostenträger sozialer Dienstleistungen und Social-Profit-Organisationen als deren Anbieter. Bisher erfolgte die Refinanzierung dieser Dienstleistungen ja ganz oft nach dem Gießkannenprinzip. In jüngster Zeit ist deutlich merkbar, dass die Finanzierung mehr und mehr von der wirtschaftlichen Argumentation und auch der Frage nach Wirkung abhängig gemacht wird. Aktuelles Beispiel ist das Bundesteilhabegesetz in Deutschland, das diese Wirkungskontrolle ja sogar gesetzlich niedergelegt hat.
Eine weitere Herausforderung für Social-Profit-Organisationen ist die – zumindest in Österreich – aktuell dominierende neoliberale Werthaltung der politischen Systeme und die daraus resultierenden Beschränkungen der öffentlichen Haushalte, die sich in, zum Teil massiven, Kürzungen der Gesundheits- und Sozialbudgets ausdrückt.
Das war jetzt die Sicht Kostenträger – Leistungserbringer. Hat diese veränderte Beziehung auch Auswirkungen auf die Anbieter sozialer Dienstleistungen untereinander?
Ja sicher. Das wird zu einem verstärkten Wettbewerb zwischen den Anbietern führen. Zudem drängen andere Player auf den Markt, die per se erst einmal nicht aus der Wohlfahrtspflege kommen. Ich meine damit Start-Ups – Social Entrepreneure -, die sich dem „Sozialunternehmertum“ verschrieben haben und den traditionellen sozialen Organisationen auf dem Sozialmarkt Konkurrenz machen.
Und wie können sich soziale Dienstleister aufstellen, um da mit dieser Entwicklung noch Schritt halten zu können?
Gefragt ist nun verstärkt die Professionalisierung der Zielsetzungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse im Unternehmen, um die strategische Ausrichtung diesen veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das wiederum bedingt, ein System in die Organisation einzuführen, das die Leistungen und deren Wirkung misst. Ein solches Performance Measurement System muss dabei selbstverständlich auf die eben dargestellten neuen Entwicklungen und die daraus entstehenden Herausforderungen Rücksicht nehmen.
Und da kommt jetzt Ihr Balanced Performance Report ins Spiel?
Genau. Ich habe ja bereits 25 Jahre Berufserfahrung in und mit Social-Profit-Organisationen, lange Jahre als Einrichtungsleiter in der Behindertenhilfe und später in meiner Funktion als Berater. Im vorliegenden Buch stelle ich die Entwicklung eines praxisrelevanten, wirkungsorientierten Performance Measurement Systems am Beispiel einer mittelgroßen gemeinnützigen Organisation vor, die ich begleitet habe.
Aufgrund der vielfältigen Stakeholderinteressen, des Vorrangs der Gemeinwohl- vor den Finanzzielen und gleichzeitig dem Bedürfnis (oder dem Zwang?), die Arbeit der Organisation bzw. deren Geschäftsfelder messen zu können, bestand bei dieser gemeinnützigen Organisation Bedarf nach einem Leistungsmessungssystem, das diesen Rahmenbedingungen und Anforderungen gerecht wird.
Die erste Idee war, ihre zukünftige strategische Ausrichtung mit einer Balanced Scorecard zu unterstützen.
Deshalb haben wir in einem ersten Schritt die Perspektiven und die strategischen Teilziele definiert, sowie deren Wirkungsgefüge dargestellt. In einem zweiten Projekt wurden die organisationsrelevanten Kennzahlen und Indikatoren identifiziert, deren Messdimensionen, Messfrequenzen und Methoden der Messung definiert, sowie die Verantwortlichkeit für ihre Erhebung festgelegt.
Im Laufe des Projektes zeigte sich aber, dass eine Balanced Scorecard mit den Bedürfnissen und Werthaltungen der gemeinnützigen Organisation nicht zur Gänze vereinbar ist.
War dann die ganze Arbeit umsonst bzw. wie kam es denn dann zum Balanced Performance Report?
Nein, diese Arbeit war sogar sehr wertvoll, weil wir auf den gewonnenen Erkenntnissen aufsetzen konnten. Zudem habe ich empirische Untersuchungen und Interviews ausgewertet, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit erstellt habe, zur Entwicklung hinzugezogen. Teile dieser Interviews finden sich übrigens im Buch wieder – ich finde es immer wieder wichtig, dass Praktiker andere Praktikerstimmen lesen können. Denn dies spiegelt ja die Gefühls- und Lebenslage in den Organisationen ganz gut wieder.
Mir war wichtig, einen co-kreativen Entwicklungsprozess anzustossen, also zusammen mit den Mitarbeitern der gemeinnützigen Organisation ein praxisrelevantes, wirkungsorientiertes Performance Measurement Systems zu entwickeln – und dabei ganz wichtig – auf Basis der in der Organisation bereits vorhandenen Steuerungs- und Kontrollinstrumente. Man muss ja nicht jedes Rad neu erfinden.
Diese neu entwickelte wirkungsorientierte Leistungsmessung nenne ich „Balanced Performance Report“. Nach meiner Überzeugung überwindet dieses Tool manche Nachteile bestehender Methoden. Es hebt sich daher – eben wegen des Rückkoppelungsbezugs innerhalb der Organisation – von bestehenden Instrumenten der wirkungsorientierten Leistungsmessung ab.
Mit Rückkoppelungsbezug meinen Sie die Mitnahme der Mitarbeiter?
Ja, das ist ganz entscheidend für den Balanced Performance Report.
Aber es gibt noch weitere Rückkoppelungsbezüge. Dieses System gründet auch auf der Ausgewogenheit von finanziellen und nichtfinanziellen Kennzahlen und Indikatoren, der engen Koppelung von strategischer und operativer Planung sowie einer organisationsspezifischen Stakeholderorientierung.
Zum Schluss: Was raten Sie sozialen Dienstleistern? Wie sollen Sie die Aufgabe “Wirkungsorientierung, Wirkungsmessung” angehen?
Unabhängig von der Organisationsgröße sollten Social-Profit-Organisationen organisationsrelevante Leistungswirkungsindikatoren definieren, um ihre Sachzielerreichung und Stakeholderzufriedenheit zu sichern. Es muss also geklärt werden, was eigentlich gemessen werden soll. Konzentrieren sollte man sich dabei meines Erachtens auf Impact- und Effektmessungen, nicht auf den Outcome.
Ganz wichtig ist, die Mitarbeitenden bei der Entscheidung miteinzubeziehen bzw. mit diesen gemeinsam zu definieren, welche Kriterien der Leistungswirkung organisationsrelevant sind.
Noch besser wäre es natürlich den partnerschaftlichen Dialog mit Mitbewerbern und Kostenträgern zu suchen. Das Ziel dieses Dialoges sollte, in einem ersten Schritt, die Einigung auf dienstleistungsrelevante Leistungswirkungsindikatoren sein. In einem zweiten Schritt dann die Standardisierung der Methoden der Messung sein, um so Benchmarking zu ermöglichen. Mit ist aber durchaus bewusst, dass diese Zusammenarbeit wohl noch Zukunftsmusik ist.
Abbildungen aus: Wirkungsorientierte Leistungsmessung: Der Balanced Performance Report